Vor ein paar Tagen bin ich auf Twitter über ein reizvolles „Spiel“ gestolpert: Wissenschaftler erklären, was sie tun, mit nur den 1000 häufigsten Wörtern der englischen Sprache. “Thousand“ gehört übrigens nicht dazu, weswegen sich die Sache eben “Ten Hundred Words of Sciennce” nennt. Die ursprüngliche Idee stammt, wie so einige großartige Dinge, von Randall Munroe (xkcd). Er hat mit diesem Wortschatz die Saturn-V-Rakete recht umfassend erklärt. “Saturn” oder “rocket” gehen natürlich gar nicht, darum heißt der Comic auch “Up Goer Five”.
Theo Sanderson hat dann eine Website gebastelt, mit der man einen Text schreiben kann und bescheid bekommt, wenn man ein „unerlaubtes“ Wort verwendet. Und so flimmerten nun verschiedenste unterhaltsame und aufschlußreiche Texte über meine Timeline. Wenige sind banal, die meisten eher ein Rätsel, oder auf eine ganz eigene Art poetisch.
Berufs- und interessenbedingt habe ich vor allem geowissenschaftliche Beschreibungen gesehen, die später dann von Anne Jefferson und Chris Rowan (Highly Allochthonous) auf Ten Hundred Words of Science zusammengetragen wurden (es gibt auch eine Übersicht über alle Einträge). Es kommen aber auch immer mehr Texte aus anderen Wissenschaftsgebieten dazu.
Anne Jefferson forscht über urbane Hydrologie:
I study how water moves in cities and other places. Water is under the ground and on top of it, and when we build things we change where it can go and how fast it gets there. This can lead to problems like wet and broken roads and houses. Our roads, houses, and animals, can also add bad things to the water. My job is to figure out what we have done to the water and how to help make it better. I also help people learn how to care about water and land. This might seem like a sad job, because often the water is very bad and we are not going to make things perfect, but I like knowing that I'm helping make things better.
Der Text ist ein ganz gutes Beispiel, wie 1000 Words of Science funktionieren kann, und wo's schwierig wird. Die ersten paar Sätze über Grund- und Oberflächenwasser lesen sich ganz gut. Schwierig wird es dann, wenn Begriffe wie “waste” oder “sewage” (nicht direkt ausgefallene Wörter, aber eben nicht häufig genug) fehlen: “Our roads, houses, and animals can add bad things to the water.” Das klingt etwas holprig, und wenn man nicht weiß, um was es geht, kann man sich vermutlich nicht recht vorstellen, was diese “bad things” nun sind…
Leicht abstrus wird's dann, wenn Chris Rowan seine paläomagnetischen Untersuchungen zur Beschreibung der Tektonik erklären muß, ohne “magnet”, “continent” oder wenigstens “earth” zur Verfügung zu haben:
I study what rocks tell us about how the ground moves and changes over many, many (more than a hundred times a hundred times a hundred) years. I can do this because little bits hidden inside a rock can remember where they were when they formed, and can give us their memories if we ask them in the right way. […]
Er kriegt das aber ganz ordentlich hin. Gut, daß es “little bits” und Anthropomorphismen gibt! 😉
Der Text der Planetologin Sarah Horst erklärt gut und klingt irgendwie lustig. “I study the sky of the largest ice rock ball that goes around the sky ball six places from the sun – the sky ball with the ring around it. we have a space bus full of learning things visiting the sky ball and the ice rock ball.” Ja!! Space Bus!
Emily S. Cassidy schreibt wohl über Ressourcen und Versorgung mit Nahrungsmitteln.
“Forest” gehört auch nicht zum Wortschatz; Amy Eycott erzählt darum von “green wood areas”.
Sensationell ist die Beschreibung des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes von Andrej Bauer. Das ist ja kein ganz einfaches Thema, und der Text ist richtiggehend verständlich.
Sogar das Higgs-Boson und LHC hat sich jemand vorgeknöpft. Wobei die Verwendung von “field” natürlich etwas frech ist – in dieser Bedeutung gehört es sicher nicht zu den 1000 häufigsten Wörtern…
Die Entwicklung und Vermarktung von Medikamenten:
I find things that people take to get better when they are sick. These are hard to make, and take a lot of time and money. When we have a new idea, most of them don’t actually work, because we don’t know everything we need to about how people get sick in the first place. It’s like trying to fix something huge, in the dark, without a book to help.
Die Metapher im letzten Satz gefällt mir außerordentlich.
[…] First, we try our best idea out on a small animal to make sure that it works like we think it will. Only after that we can ask people to take it. First people who are not sick try it, just to make sure, then a few sick ones, then a lot of sick ones of many types. Then, if it still works, we take all our numbers and ask if it is all right to let everyone who is sick buy our new stuff, and to let a doctor tell them to take it. […]
Not everyone likes us. Our stuff can be a lot of money for people. It may not work as well as someone wants it to, or they may not like how we talk with their doctor (and they may have a point there). […]
Die Chemikerin Renée Webster hat eine mysteriöse Kiste:
I use a box which takes stuff that was close together and makes them not be near to each other any more. Then I can see what each of the things are, when before it was hidden from me.
Ich hatte eher an Materialprüfung gedacht, aber ein Blick auf ihr Blog hat mich dann aufgeklärt, daß es um Chromatographie geht.
Das waren jetzt nur ein paar von vielen skurrilen, aufschlußreichen und faszinierenden Beschreibungen. Ich werd die nächsten Tage vielleicht mal versuchen, selber so was zusammenzuzimmern.
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