Primo piatto

Ein Tag Urlaub kann ganz schon viel zum Aufschreiben mit sich bringen. Der Nachtzug von München nach Venedig war angenehm und pünktlich, und ich hatte das Abteil auch noch ganz für mich allein. Dann also ab in den Wasserbus („Vaporetto“).

Im Boot vom Bahnhof zur Pension hab ich den Management/Betriebswirtler aus dem Anhalter durch die Galaxis (BBC) gesichtet. Erfreulicherweise hat er nicht versucht, an die Einhaltung der Tagesordnung zu erinnern oder der Entwertung des Blatts entgegenzuwirken (viel davon gibt's hier eh nicht). Zwischendurch hatte ich etwas Sorgen, daß die Haltestellen nicht beschriftet sind (bin da ein bißchen ein von anderen Orten gebranntes Kind), aber das war dann doch nur eine Ausnahme.

Bin also ohne Probleme in der Pension angekommen, hab mein Gepäck abgestellt und bin losgezogen, die Stadt zu erkunden -- nicht ganz touri-typisch, indem ich versucht habe, nicht gleich am Markusplatz oder der Rialtobrücke zu landen, sondern in nordöstlicher Richtung quer durch die Stadt dazwischen durch. Ein wirklich pittoreskes und gemütliches Durcheinander von Gässchen, Brücken, Gässchen, Kanälchen, Plätzen, Kanälchen, Gässchen usw. Am nördlichen Ufer angelangt, etwas mehr östlich zurückmarschiert, in Richtung ansteigendem Taubendichte- und Menschenmassegradienten, ergo schlußendlich von hinten an den Markusplatz angeschlichen. Gut daß ich da nicht gleich zu Anfang hin bin, ich hätt ja doch den Menschenkoller gekriegt. (Wobei's vermutlich im Vergleich zur Hochsaison eher noch human war…) Auf den Campanile rauf zwecks Überblick und in San Marco rein zwecks muß man ja gemacht haben (Schon etwas sehr viel Gold da drin, vor allem an den Decken, muß ich sagen; im „Tresor“, der Schatzkammer, liegen größere Mengen hübsch eingepackter, alt gewordener Menscheneinzelteile rum, sowie allerhand gülden Gerät und kristallen Krempel; will sagen recht interessant).

Zum Mittagessen hab ich mich dann nach Dorsoduro, auf den Campo Santa Margharita zurückgezogen, wo es doch etwas ruhiger zugeht. Außerdem gab's Eis, sehr lecker, und passend zur Witterung. Wetter ist nämlich ziemlich klasse, nicht zu heiß, nicht zu kalt! Genau der Grund, warum ich mich überhaupt hierher geflüchtet habe.

Und bis jetzt weiter durch die Stadt gewandert, diese und jene Kirche und Ausstellung angeschaut (es ist echt einiges geboten) und ein bißchen Alltagsleben beobachtet. Zum Beispiel möcht ich hier nicht mit Kinderwagen zugange sein. Treppe rauf, Treppe runter, Treppe rauf, Treppe runter. Von Rollstuhl ganz zu schweigen. Zum Transport von Lasten sind Sackkarren beliebt, aber vor allem kommen etwas größere Varianten davon in Einsatz, die vorne noch zwei „Ausleger“ mit kleinen Rollen haben, die das Treppensteigen etwas erleichtern. Die Italienklischee-Wäscheleinen über die Gasse sieht man allenthalben, und dank des Mangels an Automobilen muß man da wohl auch nicht befürchten, daß die Wäsche gleich wieder einqualmt. Höchstens von Tauben verschissen wird; einem Schicksal, dem ich glücklicherweise bis jetzt entgangen bin.

In der Nähe der Uni (bzw. zumindest eines Fakultätsgebäudes) war dann zu sehen, wie hierzulande mit frischgebackenen „Dottores“ umgegangen wird. In einen schauerlichen Aufzug gesteckt (z.B. einen dieser unsäglichen überdimensionierten Stars-and-Stripes-Plüschhüte, ein Forza-Itala-Plakat über die Brust und eine mit Klebeband fixierte Weinflasche an der Pranke) müssen sie von den Kollegen verfertigten, an die Mauern gehängte Poster mit vermutlich recht indiskreten Enthüllungen und Charakterstudien vorlesen, wozu die Meute höchst amüsiert grölt und feiert...

Und, ja, schönster Straßenname bis jetzt: Rio terra di Assassini.

Kommentar schreiben

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht angezeigt oder weitergegeben. Notwendige Felder sind mit * markiert.

This blog is kept spam free by WP-SpamFree.